Dr. Nepomuk Gasteiger | 07.11.2025
Der AI-Effekt
Von der Suchmaschine zur Antwortmaschine
Google hat sich verwandelt. Aus der Suchmaschine, die zehn blaue Links lieferte, wird eine Antwortmaschine. Google AI Overviews erscheinen seit März 2025 prominent über den organischen Suchergebnissen. Die KI fasst Informationen aus mehreren Quellen zusammen und liefert eine fertige Antwort. Nutzer müssen die Seiten selbst nicht mehr besuchen.
Seit September 2025 geht Google noch einen Schritt weiter: Der Google AI Mode ist in Deutschland verfügbar. Nutzer können aktiv in den “KI-Modus” wechseln und erhalten dann ausschließlich KI-generierte Antworten mit Quellenverweisen – ohne traditionelle Suchergebnisse.
Aber Google ist nicht allein. 20 bis 24 Millionen Menschen nutzen ChatGPT in Deutschland monatlich. Perplexity, Gemini und andere AI-Suchtools wachsen rasant.
Aus Suchmaschinen werden Antwortmaschinen. Die ‘10 blauen Links’, die die Websuche seit über 20 Jahren geprägt haben, verschwinden und bei vielen Suchanfragen sind keine Klicks mehr nötig.
2. Die Zahlen
Reality Check: Sichtbarkeit und CTRs
Die Zahlen nach zwei Monaten AI-Overviews
- Durchschnittlicher Traffic-Rückgang: -17,8 %; Click-Through-Rate: -14 % (Wordsmattr-Studie, März-April 2025)
- Impressionen: nur -1,2 % (Sichtbarkeit bleibt, Klicks verschwinden) (Wordsmattr-Studie, März-April 2025)
- Bei manchen Websites Rückgang des organischen Traffics um bis zu 60 % (Claneo, April 2025)
Informationsorientierte Branchen besonders betroffen
- 25 % der Gesundheits-Suchanfragen zeigen bereits AI Overviews (Colorful Chairs, Oktober 2025)
- 88 % aller AI Overview-Keywords haben informationalen Intent (Smartlemon-Studie, Mai 2025)
- Besonders betroffen: Gesundheit, Bildung, Beratung, Forschung und informationslastige B2B-Branchen (BrightEdge via Search Engine Land, Dezember 2024)
- Eine Studie von Similarweb für das Handelsblatt vom September 2025 bestätigt: Der Bereich Gesundheit ist mit einer Abnahme des Suchtraffics von 13 % am stärksten betroffen. (Stephan Scheuer, Haluka Maier-Borst, Florian Kolf: So wirkt Googles neue KI-Suche auf Geschäftsmodelle von Unternehmen, Handelsblatt 22.09.2025)
Warum viele Unternehmen den Wandel noch nicht spüren
Brand-Suchen und Directional-Suchen bleiben noch verschont. Wer zum BeiBrand-Suchen und Directional-Suchen bleiben noch verschont. Wer zum Beispiel nach einem konkreten Unternehmensnamen oder "Rechtsanwalt München" sucht, will zur Website oder zum Anbieter selbst. Google zeigt hier keine AI Overview und die Sichtbarkeit bleibt stabil (Smartlemon-Studie, Mai 2025). Aber: Wer auf informationale Keywords setzt ("Wie funktioniert Lean Management", "Was ist DSGVO-Compliance", "Unterschied B2B vs. B2C Marketing"), verliert bereits massiv Traffic. KI beantwortet diese Fragen jetzt direkt.
Der Vergleich mit den USA (Start der AI-Overviews im Mai 2024) zeigt, was kommt:
- CTR-Rückgang bis 61 % bei AI Overview-Suchanfragen (von 1,76% auf 0,61%) (Seer Interactive, November 2025)
- Traffic-Verluste zwischen 20-60 % je nach Thema (Netzökonom, Mai 2025)
- Prognostizierter Werbeerlöse-Verlust: 2 Milliarden Dollar jährlich für Medien (Netzökonom, Mai 2025)
- Das bestätigt auch die Studie des Handelsblatts vom September 2025: In den USA nahm der Suchtraffic zu Gesundheitsthemen um 27% ab. (Stephan Scheuer, Haluka Maier-Borst, Florian Kolf: So wirkt Googles neue KI-Suche auf Geschäftsmodelle von Unternehmen, Handelsblatt 22.09.2025)
In Deutschland führte Google den AI-Mode und die AI-Overviews später ein, deshalb sind wir ca. 10 Monate hinterher: Bei uns beginnt die Entwicklung gerade. Und Healthcare gehört zu den ersten Branchen, die den vollen Impact spüren werden.
Diese Zeitverzögerung erklärt, warum die Diskussion in Deutschland noch verhalten läuft. Deutsche KMUs berichten mehrheitlich von stabilen Zahlen (HubSpot Deutschland, Mai 2025). Aber die Studien aus den USA sind eindeutig. Die Adaption beschleunigt sich. Was dort Realität ist, wird hier Realität werden.
3. Qualität vor Quantität
Die neue Traffic-Realität
Der Traffic sinkt. Aber ist das nur schlecht?
Die User, die trotzdem noch klicken und auf Websites ankommen, haben offensichtlich eine höhere Qualität (Stephan Scheuer, Haluka Maier-Borst, Florian Kolf: So wirkt Googles neue KI-Suche auf Geschäftsmodelle von Unternehmen, Handelsblatt 22.09.2025). Die AI filtert also vor: Wer nach der AI Overview noch auf eine Website klickt, sucht mehr als eine Standard-Antwort. Er möchte sich im Detail informieren und mehr vom Anbieter erfahren, als ein Chat-Fenster vermitteln kann. Hier geht es um die Gesamtwahrnehmung des Markenauftritts, Branding, Stil, Design und ganz besonders Bilder bzw. Videos.
Was das bedeutet:
- Höherer User-Intent: Besucher suchen auf unseren Websites spezifische Lösungen, keine Basisinfos
- Bessere Conversion-Rates: Qualifizierte Leads statt Information-Seeker
- Längere Verweildauer: Wer klickt, ist interessierter
- Geringere Absprungraten: Die oberflächlich Interessierten bleiben bei der KI
Beispiel: Früher kamen 1.000 Besucher über “Was ist eine Hüft-OP”. Conversion: 0,5 %. Jetzt kommen 200 Besucher. Aber diese User suchen konkret nach “Hüft-OP Spezialist München”. Conversion: 3 %.
Weniger Traffic. Mehr Qualität. Bessere Ergebnisse.
4. Was bedeutet das für unsere Content-Strategie?
Content strategisch für AI positionieren
Wir müssen unsere Content-Strategien anpassen: jetzt gilt es nicht mehr die Masse zu erreichen, sondern genau die richtigen User mit spezifischem Content zu überzeugen.
Der Paradigmenwechsel: Von Information zu Differenzierung
Fragen, die auf generischen Informationen basieren, beantworten AI-Antwortmaschinen jetzt selbst. Mit Content von Ihrer Website, aber ohne die User an Ihre Seite weiterzuleiten. Zehn Jahre lang hieß es “Content is King”. Wir produzierten Massen an informativen Artikeln für SEO. Das funktionierte. Jetzt kehrt klassisches Marketing-Denken zurück: Differenzierung und Positionierung schlägt generische Information. Content muss strategisch neu ausgerichtet werden. Die Frage ist nicht mehr “Was kann ich erklären?”, sondern “Was unterscheidet uns von den Anderen?”
Was stirbt:
- "Was ist [Begriff/Konzept]"-Artikel
- "Vor- und Nachteile von …"-Content
- Allgemeine Erklärungen und Definitionen
- Standard-FAQ-Seiten mit Basisinformationen
Die Frage ist nicht mehr ‘Was kann ich erklären?’, sondern ‘Was unterscheidet uns von den Anderen?’
Die USP-Strategie
Die AI besetzt also das Basiswissen. Was früher Ihre Expertise bewies, ist jetzt Allgemeingut. Jeder kann ChatGPT danach fragen, was eine Bypass-OP ist. Was bleibt, ist die Konzentration auf Ihre individuellen Stärken: Ihre Einzigartigkeit, Ihr Ansatz, Ihre Expertise, Ihre Menschen und Ihre Region.
Positionierung über USP
Die drei Säulen der Differenzierung von Content:
1. Fachliche Alleinstellungsmerkmale
- Spezialisierungen & Nischenexpertise: "Deutschlands einziges Beratungshaus für …" / “Als einziger Verband für mittelständische …”
- Innovative Ansätze & Methoden: “Als erstes Unternehmen in der Region bieten wir …”
- Zertifizierungen & Auszeichnungen: Qualitätssiegel konkret benennen, ISO 27001 etc.
- Nachweisbare Erfolge: "92 % Erfolgsquote bei …" / "Durchschnittlich 30% Effizienzsteigerung" (mit Belegen)
- Erfahrungswerte: "Über 500 erfolgreich begleitete Projekte" / “Mehr als 10.000 Mitglieder vertrauen uns”
- Kooperationen: "In Zusammenarbeit mit [renommierte Institution] …"
Zum Beispiel
Nicht: "Wir beraten Unternehmen."
Sondern: "Unser Team hat als einziges in Süddeutschland über 200 Digitalisierungsprojekte speziell für mittelständische Maschinenbauer begleitet. 95% unserer Kunden erreichen ihre Effizienz-Ziele innerhalb von 12 Monaten."
2. Serviceorientierte Differenzierung
- Service-Konzepte: "Erstgespräch innerhalb 48 h", "Persönlicher Ansprechpartner während des gesamten Projekts"
- Zusatzleistungen: "24/7-Support-Hotline", "Mehrsprachige Beratung"
- Digitale Services: Online-Beratung, digitale Tools, Apps, Plattformen
- Internationale Ausrichtung: Mehrsprachigkeit, interkulturelle Kompetenz
- Flexibilität: Modulare Angebote, individualisierbare Pakete
Zum Beispiel
Eine Beratung differenziert sich nicht über Fachwissen (haben viele), sondern über "Concierge-Service": Jeden Kunden begleitet ein fester Projektmanager vom Erstgespräch bis zur Nachbetreuung – mit garantierter Rückmeldung innerhalb von 4 Stunden.
3. Wertorientierte Positionierung
- Unternehmensphilosophie: "Wir entwickeln Lösungen mit Menschen, nicht für Menschen"
- Arbeitsansatz: "Pragmatisch statt theoretisch" / "Agil statt starr"
- Werte & Haltung: "Partnerschaft auf Augenhöhe" statt Hierarchie
- Nachhaltigkeit: CO2-neutrale Organisation, grüne Dienstleistungen
- Soziales Engagement: Pro-Bono-Beratung, Community-Programme, Bildungsinitiativen
Ein Beispiel macht den Unterschied: Ein Verband kommuniziert seinen Ansatz "Mitglieder-Co-Creation" nicht als Buzzword, sondern zeigt in Videos, wie Vorstände gemeinsam mit Mitgliedern neue Angebote entwickeln. Das ist Differenzierung durch Werte.
Positionierung über Experten
Menschen & Expertise sichtbar machen
Vermeiden Sie: Austauschbare Mitarbeiter-Profile mit Lebenslauf und ohne Foto.
Das Potenzial: Experten als Markenbotschafter mit Persönlichkeit.
Wie das geht:
- Thought Leadership statt Fachartikel: Ihre Expertin erklärt nicht zum 1000. Mal, was digitale Transformation ist. Sie nimmt Stellung zu aktuellen Branchentrends und erklärt, wie Ihr Unternehmen damit umgeht.
- Video & Podcast: "5 Minuten mit [Expert:in]" – kurze Clips zu aktuellen Branchenthemen. Persönlich, nahbar, kompetent.
- Team & Kultur zeigen: "Warum unsere Mitarbeiter durchschnittlich 8+ Jahre bleiben" – Team erzählt. Zeigt Arbeitsqualität und Kultur.
- LinkedIn, Fachforen, Konferenzen: Experten, die öffentlich Position beziehen, machen die Organisation sichtbar.
Beispiel: Eine Geschäftsführerin schreibt auf LinkedIn zu aktuellen Branchen-Entwicklungen, nimmt Stellung zu Fachartikeln, gibt Einblicke in Projekte und wird als Expertin wahrgenommen. Ihr Unternehmen profitiert durch Reputation-Transfer.
Positionierung über die Region
Regionalität als strategischen Vorteil nutzen
Google wird globaler durch KI. Aber Patienten bleiben lokal. Die Chance ist, ein “Local Hero” zu werden, statt “einer von vielen” zu bleiben.
Wie Regionalität differenziert:
- Standortspezifische Stärken: “Als einziges Beratungshaus im Umkreis von 100km bieten wir …”
- Community-Engagement: Fachvorträge, Kooperationen mit lokalen Institutionen, regionale Events
- Lokale Verankerung zeigen: "Seit 1985 in der Region", “Teil der Community”
- Geografische Highlights: Standortvorteil nutzen ("Zentral erreichbar zwischen Stuttgart und München")
Local SEO wird deshalb wichtiger. Wenn Brand-Suchen die stabilsten sind, dann gehören geografisch spezifische Suchanfragen zu den wertvollsten Keywords.
Fazit
Die AI revolutioniert, wie Kunden, Anbieter und Talente zueinander finden.
Die schlechte Nachricht: Die Content-Strategie, die zehn Jahre funktionierte, ist tot.
Die gute Nachricht: Wir kehren zurück zu den Marketing-Grundlagen: Positionierung schlägt Information und echte Differenzierung schlägt generische Erklärungen.
Die Chance: Wer jetzt handelt, gewinnt. Die meisten Unternehmen zögern noch, auch wenn die Daten eindeutig sind. Der Leidensdruck fehlt, weil Brand-Suchen laufen und der Traffic stabil erscheint. Aber: Informationsorientierte Branchen gehören zu den ersten, die den vollen Impact spüren werden. In den USA ist bereits Realität, was in Deutschland gerade erst beginnt.
Die Zeit zu handeln: jetzt.
Nicht, weil morgen alles zusammenbricht, sondern weil die Unternehmen gewinnen werden, die sich früh positionieren. Organisationen können sich einen strategischen Vorteil erarbeiten, wenn sie ihren USP klar kommunizieren, ihre Expertise herausstellen und ihre Experten wie ihre Region prominent in Szene setzen.
Die drei Take-Aways:
- Suchmaschinen werden zu Antwort-Maschinen.
- Content wird zum Positionierungsinstrument.
- Marketing lässt die Konzentration aus Keywords hinter sich und kehrt zu seinen Wurzeln zurück.
Und das ist keine Bedrohung. Das ist eine Chance für smarte Unternehmen.
Suchmaschinen werden zu Antwort-Maschinen. Content wird zum Positionierungsinstrument und das Content-Marketing kehrt zu seinen Marketing-Wurzeln zurück.
Dr. Nepomuk Gasteiger | CEO visionbites
Nepomuk versteht Technologie und Content: Er kombiniert 25 Jahre Erfahrung als Web- und TYPO3-Entwickler mit einer Promotion zu Marketing im 20. Jahrhundert. Nepomuk bloggt zu den Themen Digitale Marketing-Strategie, TYPO3, Künstlicher Intelligenz (AI) und Suchmaschinenoptimierung (SEO).
Quellen
David Erdmann (2025, 27. Mail), Studie: Auswirkungen von AI Overviews auf SERPs und Klickraten in Deutschland. Smart Lemon.
Lukas Gehrer (2025, 05. April). Exklusivstudie: 17,8% weniger Klicks mit Googles neuer "KI Übersicht" für deutsche Seitenbetreiber. Wordsmattr.
Danny Goodwin (2024, 17. Dezember), Google AI Overviews rising in B2B technology, healthcare sectors. Search Engine Land.
Jennifer Lapp (2025, 22. Mai), Die Zukunft des SEO: Wie Google AI Overviews die Suche in DACH verändern. HubSpot.
Irene Lehmann (2025, 09. Oktober), AI Overviews: Wie sich die Google-Suche grundlegend verändert. colourful chairs.
Tracy McDonald (2025, 04. November), AIO Impact on Google CTR: September 2025 Update. seer interactive.
Stephan Scheuer, Haluka Maier-Borst, Florian Kolf (2025, 22. September), So wirkt Googles neue KI-Suche auf Geschäftsmodelle von Unternehmen. Handelsblatt.
Holger Schmidt (2025, 14. Mai), Wenn die KI den Google-Traffic versiegen lässt. Netzökonom.
Theresa Zanker (2025, 17. April), Google AI Overviews in Deutschland: Was du jetzt wissen musst. CLANEO.
Wir helfen Kliniken, ihre digitale Marketing-Strategie zu optimieren.
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